Ich ärgere mich gerade schwarz, dass ich
The Gentlewoman erst ab der dritten Ausgabe für mich entdeckt habe. Denn ich habe lange keine so unkonventionelle, überraschende und rundum gelungene
Frauenzeitschrift in den Händen gehalten. Normalerweise verwende ich diesen Begriff auch gar nicht. Da ich Magazine für Frauen, die sich dann ja letztlich doch nur mit deren Problemen mit Männern beschäftigen, grundsätzlich meide. Wenn, dann lese ich reine Modemagazine. Aber in The Gentlewoman dreht sich tatsächlich alles um Frauen, und das ganz ohne peinliche Beziehungsratgeber und überflüssige Sex-Tipps. Stattdessen geht es um außergewöhnliche, echte und starke Persönlichkeiten. Und eben um die passende Mode.
Im ersten Teil des
Fabulous women's magazine sprechen sechs Spezialistinnen ihres jeweiligen Fachs über
Modernisms. So berichtet beispielsweise Designerin Vanessa Bruno unter der Überschrift
Modern Daughterhood von ihrer Beziehung zu ihrer Mutter. Bei
Modern Partying verrät Restaurant-Besitzerin Margot Henderson was für sie einen guten Gastgeber ausmacht. Im zweiten Kapitel setzen sich großzügig angelegte Portraits mit den bewegenden Geschichten ganz unterschiedlicher, außergewöhnlicher Frauen wie der pakistanischen Autorin Fatima Bhutto, der britischen Sängerin Adele Adkins oder der Mitbegründerin des gleichnamigen Concept Stores Sarah Colette auseinander. Die spannenden Reportagen über Mabel van Oranje und Dr. Frances konnten mich sogar für bisher umgangene Themen wie die Irrungen und Wirrungen der holländischen Königsfamilie oder die neusten Methoden der kosmetischen Dermatologie begeistern.
Das dritte Kapitel von The Gentlewoman widmet sich dann endlich meinem Lieblingsthema; der Mode. Schon zwischen den mehrseitigen Portraits im Kapitel Zwei zeigten Frauen ihren persönlichen Stil, ganz ohne Kitsch und viel Tam Tam. Beispielsweise in der Fotostrecke
At Home - At Work, die Berlinerinnen in ihrer Arbeits- und Hausgarderobe in der jeweiligen Umgebung ganz unaufgeregt und natürlich gegenüberstellt. Auch im dritten Kapitel sucht man aufwendige Hochglanz-Editorials am Strand, aufm Hochhaus oder in zurechtgemachter Kulisse, wie man sie von anderen Modemagazinen, kennt vergeblich. Die Kleidung steht ganz für sich selbst. So werden die schönsten Farben der Saison ganzseitig dargestellt und kombiniert. Die neuen Rocklängen stehen in Bildern, die tatsächlich an der Taille enden, im Fokus. Das Editorial, das ganz nüchtern die raffiniertesten Rückenausschnitte der aktuellen Kollektion präsentiert macht mich als Fan geschickt inszenierter Hinteransichten besonders glücklich. Zu guter Letzt gelingt es The Gentlewoman sogar so ein schnödes Thema wie Nagelpflege ästhetisch und natürlich in schlichten schwarz-weiß Bildern dazustellen.
Den Abschluss des Magazins bildet das Kapitel Vier mit dem Titel
Etcetera. Im Stile eines Anhangs werden Details und Zusatzinformationen zu den jeweiligen Geschichten der vorangegangenen Seiten verraten. Dort findet man z.B. ein Verzeichnis aller im Heft erwähnten Personen und Marken, einen Stammbaum der Bhutto Familie und eine elektronische Zigarette, die Adele womöglich mittlerweile raucht, seit sie nach dem Fotoshooting fürs Cover das Rauchen aufgegeben hat.
Abschließend muss ich noch die Verteilung der Werbung, die sich nur am Anfang findet, und den abwechselnden Einsatz glänzender und matter, sowie weißer und natürlicher Papierqualitäten loben. Ihr merkt schon, ich komme aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus. Aber so gut habe ich wirklich schon lange nicht mehr 8 € investiert. The Gentlewoman ist ein anspruchsvolles, zeitgemäßes Frauenmagazin, das sowohl die Neugierde nach Mode und Kleidung als auch nach bewegenden Lebensgeschichten und allgemeinem Zeitgeschehen stillt. Zu ärgerlich, dass dieses fabelhafte Magazin nur zweimal jährlich erscheint.